Sonntag, 3. Juli 2011

Pamphlet der Empörung!

Jetzt reicht´s! Dies ist ein Pamphlet der Empörung! Geisteswissenschaftler aller Länder, vereinigt euch.

Es heißt, es herrsche ein Mangel an Akademikern…aber die Geisteswissenschaftler fristen ein stiefmütterliches Dasein.

Nicht nur, dass bereits die Institute der Universitäten unter dem Diktat der Clusterpolitik wirtschaftslastiger Diskurse stehen und somit enormen Einfluss auf die „freie“ Wissenschaft nehmen, nein auch nach dem Examen ist der gemeine Geisteswissenschaftler nicht selten aufgeschmissen.
Es mangele an ökonomischer Kompatibilität, heißt es und Hegel dreht´s im Grabe um.

In Spanien empört sich die Jugend, in Deutschland kuscht sie: schneller, höher, weiter, profitabler…der Zeitgeist hat den Geist besiegt, welcher nun in den Gassen der Vergangenheit dümpelt. Moos statt nous, so sieht es aus.

Wundern tut es einen kaum noch. Darf der postmoderne Geist, der sich selbst dekonstruierte… nun klagen?

Man wirft uns vor, der Geisteswissenschaftler klage nur und ändere nichts. Es gäbe doch Stellen für Absolventen, natürlich nur für diejenigen mit besonders herausragender Leistung, sozialem Engagement, Auslandserfahrung und diversen Praktika auf dem Buckel. Ach ja und bitteschön U25 wenn´s recht ist!?

Volontariate gäben, so liest man, jungen Geisteswissenschaftlern die Chance auf einen Berufseinstieg. Für ein Redaktionsvorlontariat bei einer renommierten Redaktion bekommt der promovierte Absolvent in seinen 18 Monaten neben wertvollen Einblicken ganze 400 Euro im Monat. In der Ausschreibung ausdrücklich verlangt wird –wörtlich- eine gute „Schreibe“, da ein angemessener Schreibstil der Redaktion selbst offenbar abhanden gekommen ist.

Auch das Arbeitsamt verspricht Hilfe. Verschickt Einladungen mit Rechtsbelehrungen, man habe dann und dann zu erscheinen, um über ein Stellenangebot zu sprechen.
Einmal vor Ort dann aber stellt sich heraus, dass nichts dergleichen auf den armen Akademiker wartet. Nein, leider hätte man kein aktuelles Stellenangebot, aber die Mitarbeiter des Arbeitsamts müssten ja auch irgendetwas tun und vor dem eigenen Chef rechtfertigen, dass aktiv gehandelt werde. Da keine Angebote vorlägen, würde eine Scheineinladung versendet.

Wut? Empörung? Verzweiflung?
Die Suchanfrage ausweiten, optimieren, heißt es. Nicht mehr so anspruchsvoll, sondern flexibel sein.

Man erklärt sich bereit. Bekommt Angebote geschickt, die ausdrücklich einen wirtschaftlichen Schwerpunkt verlangen. Ja, die Stelle passe nicht, heißt es auf Nachfrage, aber…man müsse ja auch beweisen, dass man arbeite. Und täglich grüßt das Murmeltier.

Danke! Ich habe genug gehört.
Wieviele Generationen Geisteswissenschaftler sollen noch arglos in ihr Verderben und die Arbeitslosigkeit geschickt werden? Wieviele Absolventen sollen noch aus Verzweiflung promovieren?
Ist das der neue Übermensch? Die oberste Stufe auf der Perfektibilitätsleiter der Menschheit?
„Welch erbärmlich Grauen fasst Übermenschen dich!“ schallt Goethe in meinen Ohren!

Geisteswissenschaftler aller Länder, vereinigt euch!

Gemeinung

Wieso lehrte man mich Meinungen zu bilden, wenn sie zu vertreten heißt, andere zu verletzen? Wieso lehrte man mich das nicht, vom Tag meiner Geburt?
Still, schweig!

Nonkonformität ist gefährlich dieser Tage. Schweig, still oder doch nicht?

Wieso heißt Meinung vertreten Menschen beleidigen oder kränken?
Wieso lehrte man mich das nicht in den Hörsälen der „Großen“?
Aber ist Meinung verschweigen nicht letztlich das größere Übel?

Die barmherzige Seele zu spielen war nur etwas für die, die Angst hatten, im Leben Stellung zu beziehen. Es ist immer einfacher, an die eigene Güte zu glauben, als den anderen die Stirn zu bieten und für die eigenen Rechte zu kämpfen. Es ist immer einfacher, eine Beleidigung stillschweigend hinzunehmen, als den Mut aufzubringen, gegen jemand Stärkeren zu kämpfen.
- Paulo Coelho-


Wieso beinhaltet Diskussion im Internet keine Zwiesprache mehr mit sich selbst??
Man sagt, dies sei nicht das Leben, aber wieso bestimmt es so viel?
Wieso maßt es sich an, diesen Raum einzunehmen?
Wieso bedeutet der Einsatz gegen empfundene Ungerechtigkeit die Saat neuer empfundener Ungerechtigkeit?

Wo führt das hin? Wo führen wir uns hin?
Von was führt es weg?
Ich meine, ist das so? Muss das so?

Die Hälfte von dem was ich sage, nein, die Hälfte von dem was ich schreibe ist nicht einmal ein Viertel von dem, was ein anderer verstehen will, wenn er will. Was er sich nimmt von dem, was ich schreibe oder nicht schreibe, was ich zeige oder nicht zeige, steht in seiner Macht, die er gleichzeitig über mich hat, obwohl er mich nicht kennt.

Es ist nicht das wahre Leben, lehrt man mich, aber der gleiche Wind weht auch jenseits des geschriebenen Wortes.

Why didn´t they tell me, the day I was born?

Wieso ist es dieser Tage so wichtig klarzustellen, darzustellen, etwas zu scheinen, anstatt einfach zu sein?
Wieso kann man machen was man will und es reicht niemals aus?
Wieso lehrte man mich nie, lieber nichts zu erwarten?

Wieso lehrt man uns diese Dinge nicht, bevor wir genauso verbittern?


Der einfache Wunsch, etwas miteinander zu teilen, führte dazu, dass wir in die Welt der Sprache ohne Worte eintauchten, in der immer alles klar ist und nicht die geringste Gefahr besteht, missverstanden zu werden. -Paulo Coelho-